100 Jahre Tiefkühlkost

Das Gericht, das aus der Kälte kam

Damit ging vor 100 Jahren alles los: Clarence Birdseyes tiefgekühlte Bohnen starteten eine Bewegung, die bis heute anhält.
AFFI
Damit ging vor 100 Jahren alles los: Clarence Birdseyes tiefgekühlte Bohnen starteten eine Bewegung, die bis heute anhält.

Vor 100 Jahren hat Clarence Birdseye entdeckt, wie Schockfrostung Lebensmittel haltbar machen kann. Damals eine kuriose Idee, ist die Tiefkühlkost heute in aller Munde.

7 Dollar, einen Ventilator, Eis, Salz – und eine große Portion Neugier, Mut und Zukunftsfreude: Mehr brauchte Clarence Birdseye nicht, um vor 100 Jahren die Lebensmittelbranche zu revolutionieren. 1923 entwickelte der Biologe die erste Anlage zum Tiefgefrieren, den späteren Plattenfroster. Inspiration schöpfte er aus der Arktis: Auf einer Forschungsreise im Nordosten Kanadas sah er, wie Indigene Fische bei unter 40 Grad Außentemperatur fingen. Die Tiere kamen quasi geforen aus dem Wasser und schmeckten später zubereitet trotzem wie frisch aus dem Wasser. 

Am 6. März 1930 ging in den USA das erste tiefgekühlte Gemüse über den Ladentisch. Die Birdseye‘sche Schockfrostung gehört zu den größten Erfindungen der Lebensmittelindustrie und brachte eine bis heute boomende, weltumspannende Branche hervor. In Deutschland gelang der Durchbruch erst Mitte der 50er, als Marshallplan und Wiederaufschwung Tiefkühlschränke für immer mehr Haushalte erschwinglich machten. Ein Wachstum, das bis heute nicht endet: Laut Zahlen des deutschen Tiefkühlinstitutes aß jeder Deutsche 2019 im Durschnitt 46,9 Kilogramm Tiefkühlprodukte – ein neuer Rekordwert. 

Ein Eiskalter Feiertag

Seit der damalige amerikanische Präsident Ronald Reagan 1984 den 6. März erstmals zum "Frozen Food Day" ausgerufen hat, um die gesellschaftliche Bedeutung dieser Erfindung zu würdigen, feiert die Tiefkühlwirtschaft rund um den Erdball dieses Datum jedes Jahr – in Deutschland als "Tag der Tiefkühlkost." 
 

"Tiefkühlprodukte bieten die Möglichkeit, eben sehr hochwertige, gesunde Gerichte vor Ort in die Einrichtungen zu bringen", lobt Ruth Fislage, Leiterin Unternehmenskommunikation bei Apetito. Das Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen hat unter anderem das Essen auf Rädern mit dem Roten Kreuz entwickelt. Heute erwirtschaften bei Apetito 11.775 Mitarbeiter einen Jahresumsatz von über 1 Milliarde Euro mit Tiefkühlspeisen und -Menüs. 

Nachhaltigkeit auf einem guten Weg

"Tiefkühlprodukte nehmen eine ganz wichtige Rolle ein in der Ernährung und in der Lebensmittelversorgung", sagt Herman Färber. Der CDU-Politiker leitet den Bundestagsausschuss für Ernährung und Landwirtschaft. Aber auch in Sachen Nachhaltigkeit sei die Tiefkühlwirtschaft auf einem guten Weg, lobt der Politiker.

Die Reduktion des CO2-Fußabdrucks der Branche komme gut voran, in Zukunft gelte es, "vom Acker bis zum Teller" vernetzter zu denken. "Wir sind bisher sehr arbeitsteilig unterwegs." Gefragt nach seinem liebsten Tiefkühlprodukt, gesteht er: "Ich esse schon gerne mal eine Tiefkühlpizza."

Dinos ohne Fleisch

"Zum Thema Nachhaltigkeit wünsche ich mir von der Politik, dass es klare Vorgaben gibt", sagt Markus Mischko, Geschäftsführender Vorstand von Iglo und stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Tiefkühlinstitutes. Verbote seien wenig effizient, er wolle mit interessanten Angeboten die Esskultur weiterbringen. Als Beispiel nennt er viele Fleischersatz-Produkte, die in den letzten Jahren auf den Markt gekommen sind. Sein Lieblingsprodukt seien die Green Cuisine Chicken Dinos, vegane Nuggets.

"Ein großer Punkt für nachhaltige Ernährung bei Tiefkühlprodukten ist, dass wir eine große Auswahl haben", ist Mischko überzeugt. "Das heißt, ich habe viel Abwechslung. Dadurch, dass ich immer mehr Fleischalternativprodukte habe, kann ich das sehr schön mir aussuchen, was ich mache. Und Foodwaste ist ein großes Thema. Tiefkühlung durch Portionierbarkeit, Convenience Charakter, hilft uns ganz klar Foodwaste zu vermeiden."

Eis schlägt Dose

"Die Entscheidung, ob Tiefkühlkost gesund ist oder nicht, das kann man nur an einem einzelnen Produkt festmachen und nicht an der ganzen Produktpalette", sagt Dr. Britta Schautz, Projektleitung Ernährung und Lebensmittel der Verbraucherzentrale Berlin. "Wenn man sich Tiefkühlkost anschaut, im Vergleich z.B. zu eingekochten Gemüsen oder auch Konservendosen, dann ist der Nährstoffgehalt bei Tiefkühlkost in der Regel deutlich besser." 

Außerdem weißt Schautz darauf hin, dass es im Handel Tiefkühlprodukte gibt, die der Kunde oft gar nicht als solche erkennt: "Was bestimmt viele überrascht. Der meiste Fisch, der zu uns kommt, war schon einmal eingefroren, damit er überhaupt frisch auf unserem Teller landen kann. Das heißt, Tiefkühlen ermöglicht uns auch, Fisch in guter Qualität, in guter Frische zu uns zu bekommen, was wir sonst vielleicht nicht hätten, wenn wir nicht direkt am Meer wohnen."





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