Die rund 350 Teilnehmer des sechsten Internorga-Forum Schulcatering waren die ersten Multiplikatoren, denen Christian Schmidt, Bundesminister für Landwirtschaft und Ernährung, vom künftigen Nationalen Qualitätszentrums für gesundes Essen in Kita und Schule berichtete. Bis Ende Juni soll es in Berlin die Arbeit aufnehmen.
„Mein Ziel ist, dass das Essen in Kitas und Schulen besser wird“, bat Schmidt explizit auch um die Expertise des versammelten Fachpublikums. Schließlich gehe es um mehr als vier Millionen Kinder und Jugendliche, die wochentags in Schulmensen und Kitas essen. Dafür brauche es einen Qualitätsnachweis, den das neue Zentrum gemeinsam mit den beteiligten Profis vorantreiben soll. Ziel sei es, hochwertige Angebote flächendeckend in Deutschland zu etablieren. Das Zentrum soll Eltern, Schulen, Kommunen und Trägereinrichtungen bei der Auswahl und Bewertung von Catering-Leistungen unterstützen. Die zahlreichen vorbildlichen Beispiele, die es in der Praxis bereits gibt, weisen dabei dem Minister den Weg. Einige dieser Leuchttürme aus der Praxis hatten eine Bühne auf dem Internorga-Forum Schulcatering, das in diesem Jahr unter dem Titel stand „Schulmensa mit Biss!“
Das Mensa-Wunder von Waltrop
„Einfach machen“ war die häufig zu hörende Aufforderung der Akteure, die ihre Erfolgsprojekte präsentierten, ausgewählt und moderiert von Claudia Zilz, Redakteurin der gv-praxis. Vom „Wunder von Waltrop“ berichtete Ulrike Waterkamp, Schulleiterin der im nördlichen Ruhrgebiet gelegenen Gesamtschule. Das Statement „Bildung is(s)t wurde dort erfolgreich mit Leben gefüllt: Die Zahl der Abo-Esser stieg im Laufe von fünf Jahren von sieben auf 600. Das gelang in der klammen Gemeinde ohne finanziellen Beitrag des Schulträgers.
Aus dem gleichen Bundesland kommt Ludger Busch, Fachlehrer für am Berufskolleg Tecklenburger Land in Ibbenbüren. Der gelernter Koch zeigte eindrucksvoll, wie sich die gängige Formel „Ältere Schüler = Schwierige Esser?“ umkehren lässt. Die Fachschule mit beruflichem Gymnasium wird unter anderem von Auszubildenden für Hauswirtschaft und Systemgastronomie besucht. Im Rahmen des Arbeitslehre-Unterrichtes leisten sie unter der Regie von Busch wertvolle Unterstützung bei der Zubereitung des Mittagsangebotes für einen großen Teil der etwa 2.300 Schüler im Alter von 16 bis 22 Jahren, von denen etwa 200 im Rahmen ihrer Ausbildung fachpraktischen Unterricht erhalten. Im kommenden August schlägt man in Ibbenbüren ein weiteres Kapitel auf und stellt einen eigenen Koch-Azubi ein, der Schulverpflegung von der Pike auf lernen soll.
Die Schulmensa muss den Nerv der Zielgruppe treffen
Dabei stellt sich die Frage, ob der Begriff Schulverpflegung noch auf der Höhe der Zeit ist. Alternative Bezeichnungen wie Schülerernährung, Schulessen oder auch Schulgastronomie wurden auf dem Forum in die Runde geworfen. Dabei wird deutlich, dass die Schulmensa als Ganzes den Nerv der Zielgruppe treffen muss, damit ein attraktives Essensangebot auch wahrgenommen wird. Interessante Einblicke in die Gefühls- und Entscheidungswelt der potentiellen Mensabesucher lieferte die Psychologie-Professorin Dr. Britta Renner in ihrem Vortrag „Warum wir essen, was wir essen“. Bei mehr als 220 Entscheidungen, die ein Mensch jeden Tag durchschnittlich allein in Bezug auf Essen und Trinken fällen muss, sei die kognitive Kapazität für vernunftgesteuerte Entscheidungen deutlich überfordert. „Es gibt nicht den einen Knopfdruck, der unser Verhalten in Richtung gesunde Ernährung verändern kann“, macht Renner dem Publikum anhand einiger kleiner „Versuchsanordnungen“ deutlich. Ihr Fazit muss ernüchternd wirken auf die Verfechter der reinen Vernunft: Gesundes Labeling ändert in der Regel nichts am Verhalten. Erfolgsversprechender ist es, auf subtile Weise positive Anreize zu schaffen.
Schüler und Schülerinnen ernähren sich heute digital
Das gilt nicht nur für das, was auf die Teller kommt, sondern für das Gesamtkonzept einer Mensa. Einen Blick in die Zukunft wagte Angela Koch, verantwortliche Marketingmanagerin für den Bereich Kita und Schulen beim Verpflegungsanbieter Apetito in Rheine. Zwischen Jugendlifestyle und Digitalisierung verortet sie die Schulmensa 4.0. Bei den Mensa-Konzepten achte man heutzutage noch viel zu wenig auf die Interessen der jungen Zielgruppe. „Schüler und Schülerinnen ernähren sich heute digital“, spitzt sie das gängige jugendliche Verhaltensmuster zu. Um die Kids an die Essensausgabe der Mensa zu locken, sei der klassische Essensplan am Schwarzen Brett der falsche Weg. Stattdessen empfiehlt sie digitale Kanäle, wie etwa Blogs und Apps, ansonsten „wissen die Kids schlicht und einfach nicht, was es Mittags zu essen gibt“. Im Übrigen dürfe die Mensa nicht auf Essen und Trinken beschränkt sein, sondern einen Rahmen liefern für den angenehmen Aufenthalt auf dem Schulgelände.
1,4 Millionen Kinder sollen Kochen lernen
Dennoch laufen alle Anstrengungen ins Leere, wenn die Qualität des Essens nicht stimmt. Das setzt voraus, dass Kinder und Jugendliche in der Lage sind, gutes Essen von schlechtem zu unterscheiden. Ein wachsender Teil sei dazu heute nicht in der Lage, weil ihnen der Zugang zu den rudimentären Lebensmitteln fehle, weiß Sarah Wiener. Im Talk zum Abschluss des Forums lieferte sie Einblicke in die Arbeit ihrer Stiftung, die Kinder an die Kochtöpfe bringen und ihnen zum selbstbestimmten Zugang zu den Lebensmitteln verhelfen soll. Etwa 1,4 Millionen Kindern will sie das Kochen beibringen. Dabei vertraut sie auf die Weiterbildung von Pädagogen zu sogenannten Genussbotschaftern. Ihre klare Botschaft an die Teilnehmer des Forums: „Ihr könnt alle etwas ändern, am besten gleich damit anfangen.“
Beispiele erfolgreich umgesetzter Ideen stehen auch im Fokus des 7. Internorga-Forum Schulcatering - am 21. März 2017.