Die Berliner Bezirke haben das Schulessen neu ausgeschrieben.
Alle zwölf Berliner Bezirke haben die Schulverpflegung für die Primarstufe für das kommende Schuljahr neu ausgeschrieben. Dafür wurde von Schulsenatorin Sandra Scheeres eine ausgefeilte Muster-Ausschreibung erarbeitet. Sie sorgt derzeit für reichlich Ärger und Unmut bei den Caterern.
Zündstoff Vergütung
Dabei geht es bei der
Berliner Ausschreibung um nicht weniger als rund 160.000 Essen täglich mit einem Vergabeumfang von rund einer halben Milliarde Euro für einen Zeitraum von vier Jahren (Aug. 2020 bis Aug. 2024). Für Zündstoff sorgt vor allem das
Vergütungsmodell: Ab kommendem
Schuljahr will der
Stadtstaat Berlin den
Caterern nicht mehr wie bisher die bestellten, sondern nur noch die tatsächlich abgeholten Essen vergüten. Das heißt im Klartext: Wenn beispielsweise bei schönem Wetter ein Teil der Schüler spontan lieber draußen Fußball spielt, bleibt der Caterer auf den Kosten der nicht abgeholten Mahlzeiten sitzen. Denn: Seit August 2019 ist das Essen für die Schüler kostenfrei und wird von der Hauptstadt getragen.
Chip-System für portionsgenaue Abrechung
Um das neue Vergütungsmodell umzusetzen, entwickelt die Stadt derzeit ein
Chip-System, das eine portionsgenaue Abrechnung der abgeholten Mahlzeiten ermöglicht. Ein Unding, sagen die Berliner
Schulverpfleger. Ein notwendiger Schritt, finden die Verantwortlichen der Stadt. Denn mit dem neuen Vergütungsmodell sollen künftig weniger Speisen als bisher im Müll landen. Doch das
finanzielle Risiko trägt bei diesem Modell einzig und allein der Caterer, der auf den bestellten und nicht abgeholten Essen sitzenbleibt. Derzeit wird vonseiten der
Essensanbieter geprüft, ob dieses vom Senat geplante Vergütungsmodell überhaupt rechtlich erlaubt ist.
Doch warum will die Stadt überhaupt ein solches Modell einführen? Seit August 2019 ist das
Schulessen für die Klassenstufen 1 bis 6 kostenfrei. Bundesweit bis heute einzigartig. Seitdem landen allerdings womöglich mehr
Speisen im Müll. Dies zumindest vermutet der Senat, der dazu allerdings keine Zahlen vorlegen kann. "Bislang gab es noch keine Messungen zu den
Speiseresten", sagt die Pressestelle des Schuldezernats auf Nachfrage des Online-Portals
FOOD SERVICE. Die Caterer widersprechen dieser Aussage. Es würden nicht mehr Speisenreste als vor Einführung des
kostenfreien Essens im Müll landen, heißt es unisono. Ungeachtet dessen müssen die Caterer in der kommenden Ausschreibung Maßnahmen gegen
Lebensmittelverschwendung umsetzen und beispielsweise Konzepte zur Vermeidung von
Lebensmittelabfällen vorlegen.
Ausschreibung ein Meilenstein
Dabei ist die neue
Musterausschreibung eigentlich ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zu einem qualitativ hochwertigen Essen. Insbesondere in punkto Nachhaltigkeit setzt die Hauptstadt Ausrufezeichen. So steigt der
Bio-Anteil von derzeit 15 Prozent ab Mitte 2020 auf zunächst 30 Prozent. Alle
Stärkebeilagen wie Nudeln, Kartoffeln und Reis dürfen ab diesem Zeitpunkt nur noch aus Bio-Anbau kommen, lauten die Vorgaben.
Reis, Bananen und Ananas müssen darüber hinaus nachweislich aus
fairem Handel stammen. Doch die Berliner Bildungssenatorin setzt noch einen drauf: Ab August 2021 muss der Bio-Anteil 50 Prozent betragen. Neben Stärkebeilagen müssen zusätzlich
Obst sowie
Milch und Milchprodukte vollständig in Bio-Qualität eingesetzt werden.
Klasse statt Masse
Es versteht sich von selbst, dass bevorzugt saisonale Äpfel, Möhren und Salatköpfe in die Töpfe und Schüsseln wandern sollen. "Diese Vorgaben sind verbunden mit dem
DGE-Qualitätsstandard bundesweit einzigartig", lobt
Bildungssenatorin Sandra Scheeres die neue Muster-Ausschreibung. Anbieter erhalten Zusatzpunkte, wenn sie weniger Convenience-Produkte und mehr frische Zutaten einsetzen. Zu der
Qualitätsoffensive gehört ebenso, dass künftig nur noch zwei Menüs zur Auswahl stehen: eines mit Fleisch beziehungsweise Fisch und ein Vegetarisches.
Klasse statt Masse lautet das Credo. Im Gegenzug müssen die Caterer für Kinder mit
Unverträglichkeiten und Allergien Sonderkostformen produzieren. Jeder Schüler soll in den Genuss eines vollwertigen, kostenfreien Essens kommen.
Festpreis für Schulessen steigt
Gleichzeitig zu den steigenden Qualitätsanforderungen steigt der berlinweite
Festpreis von derzeit 3,25 Euro pro Essen ab August 2020 auf zunächst 4,09 Euro und ab August 2021 auf 4,36 Euro. Doch dafür muss geliefert werden: Mit der neuen Leistungsbeschreibung könne man das Essen intensiver überprüfen, unterstreicht der Senat. Was in der Leistungsbeschreibung festgeschrieben ist, muss eingehalten werden, ansonsten würden Vertragsstrafen drohen. Der
Vergabezeitraum endet am 31. Juli 2024.