Für die Brauer in Deutschland geht es beim Absatz von Fassbier nach einer tiefen Talsohle wieder aufwärts. Volle Biergärten und Terrassen der Restaurants sowie gut besuchte Volks- und Schützenfeste kurbeln die Bierproduktion an. "Die Leute rasen zu jedem Event, die Leute wollen raus", sagte der Chef der Brauerei Veltins, Michael Huber. "Und die Leute bleiben vor allem auch auf den Veranstaltungen viel länger, und dadurch ist der Verbrauch in der Veranstaltung höher als auch von uns erwartet wurde." Man merke diesen "unglaublichen Wunsch nach Nachholen". Fast jedes Schützenfest verzeichne größere Absätze als vor der Corona-Pandemie.
"Die Leute gehen wieder gern in den Biergarten, auf die Feste, die stattfinden", sagte Benedikt Meier, Sprecher des Verbandes Privater Brauereien in München. Mancherorts würde eigentlich sogar noch mehr gehen. "Vielerorts ist ein Problem, dass Personal in der Gastronomie fehlt. Das fängt in der Küche an und reicht bis zum Service."
Das stellte auch der Chef der Altbier-Brauerei Bolten, Michael Hollmann, am Niederrhein fest: "Personalmangel, Personalmangel, Personalmangel - in der Gastronomie, aber auch in den Brauereien." Viele Beschäftigte hätten sich in der Corona-Krise eine andere Arbeit gesucht und viele auch bessere Arbeitszeiten als in der Gastronomie.
Veltins schätzt, dass der deutsche Biermarkt im ersten Halbjahr 2022 nur um etwa 3 bis 4 Prozent gegenüber dem schwachen Vorjahreszeitraum gewachsen ist. Der noch laufende Juni könnte demnach trotz der vielen Gäste etwa 10 Prozent unter dem extrem guten Vorjahresmonat liegen.
Viele Bierhersteller sorgen sich inzwischen zunehmend auch um die Gasversorgung - auch für ihre wichtigen Zulieferer wie die Glashersteller. "Die Branche beschäftigt die tiefe Sorge vor einem Blackout", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes, Holger Eichele. Etwa zwei Drittel der deutschen Brauereien sind nach Angaben des Verbandes auf Gas angewiesen.
Auch fehlender Leim oder ein Mangel an Etiketten könnten die Produktion ins Stocken bringen. Deshalb habe Veltins für 30 Millionen Euro vorzeitig Ware eingekauft, die sonst kurzfristig geordert worden wäre und für diese Mengen Lagerhallen angemietet. Die Brauerei im Hochsauerlandkreis sei auf einen möglichen Wechsel von Gas auf Öl vorbereitet und verfüge über Tankkapazitäten für den Öl-Bedarf von fünf Wochen. Die gestiegenen Energie- und Rohstoffkosten dürften auch Verbraucher zu spüren bekommen. Schon im Frühjahr waren Experten davon ausgegangen, dass es zu Bierpreiserhöhungen im Handel kommt - lange angekündigt und nicht als Reaktion auf jüngere Entwicklungen.
Die Privatbrauerei Oettinger gab vor zwei Wochen bekannt, dass sie zum Jahresende 2022 Produktion und Logistik an ihrem Standort im thüringischen Gotha schließt. Das schwäbische Familienunternehmen begründete den Schritt mit Absatzrückgängen in Deutschland. Auch anderenorts legt Oettinger nicht ausgelastete Mehrweganlagen still.
Dieser Text erschien zuerst auf www.ahgz.de.