Wenn die gastronomischen Betriebe in Hessen am 15. Mai wieder öffnen dürfen, werden zahlreiche Betriebe der Initiative Gastronomie Frankfurt (IGF) weiter geschlossen bleiben. „Mit den aktuellen Vorschriften für die Wiedereröffnung in Hessen verspielt die Politik die Chance, der Gastronomie mit einem tragfähigen Konzept einen wirtschaftlich vertretbaren Re-Start zu ermöglichen“, erläutert Madjid Djamegari, Vorsitzender der IGF. Die Initiative ruft deshalb am Freitag zur Aktion #leerelokale auf, bei der viele Frankfurter Betriebe aus Solidarität ihr Restaurant zumindest an diesem Tag nicht öffnen werden.
„Die aufwändigen, aber sinnvollen Hygienemaßnahmen, die Schulung der Mitarbeiter hinsichtlich der Corona-Verhaltensregeln und die Abstandsregeln zu erfüllen, sind dabei nicht das Problem“, so Madjid Djamegari, und ergänzt weiter: „Es fehlt die wirtschaftliche Perspektive für einen Neustart, insbesondere aufgrund der ‚5-Quadratmeter-Regel‘, der fehlenden verbindlichen Perspektiven und des nach wie vor nicht beschlossenen, aber dringend benötigten Rettungsschirmes für die Branche“.
Die „5-Quadratmeter-Regel“, die es nur in Hessen gibt, limitiert die maximal zugelassene Personenanzahl in Restaurants, unabhängig von Abstandsregeln. Die IGF nennt Beispiele: So darf etwa ein Restaurant mit einem Gastraum von 100 Quadratmetern nur noch 20 Gäste gleichzeitig bewirten. In „normalen“ Zeiten können viele Wirte 70 bis 80 Personen auf dieser Fläche unterbringen, je nach Bestuhlungskonzept. Ein weiteres Beispiel verdeutlicht die Sinnlosigkeit dieser willkürlichen Regel: Wenn in einem Restaurant mit 100 Quadratmeter Gastfläche zwei Hausstände mit je zwei Erwachsenen und zwei Kindern gemeinsam an einem Tisch sitzen, was aktuell erlaubt ist, nimmt der Tisch für diese acht Personen eine Fläche von circa 10 Quadratmeter ein. Auf den restlichen 90 Quadratmetern dürften dann nur noch zwölf Personen bewirtet werden.
„Wir raten unseren Mitgliedsbetrieben dringend, ihre betriebswirtschaftliche Kalkulation zu überprüfen“, so Matthias Martinsohn, Vorstandsmitglied der IGF. „Es muss jedem Unternehmer bewusst sein, dass ein wirtschaftlich tragfähiger Re-Start auf Basis dieser Regeln für die Betriebe eher die Ausnahme als die Regel ist. In den meisten Fällen wird der Verlust bei Öffnung der Betriebe höher sein, als wenn diese geschlossen blieben.“ Schließlich blieben die Kosten bei 100 Prozent. Mieten, die bis dato gestundet wurden, würden wieder fällig und das Personal, das derzeit zu 95 Prozent in Kurzarbeit ist, müsste wieder seine vollen Gehälter erhalten.
Am meisten ärgert die Gastronomen der IGF, dass die Schlagzeilen eine heile Welt simulieren. „Viele Gäste lesen nur die Schlagzeile, nämlich, dass die Gastronomie wieder öffnen darf. Das Kleingedruckte, also die Bedingungen des Restarts, bekommen sie nicht mit“, so Madjid Djamegari. Von der Regierung in Wiesbaden fühlen sich die Gastronomen absichtlich im Stich gelassen. „Nach wie vor gibt es keine Perspektiven in dieser Branche. Die Insolvenzwelle wird nicht aufzuhalten sein, wenn sich Politiker nicht schnell zu praxis-orientierten Lösungen und Finanzhilfen durchringen können. In Baden-Württemberg werden dazu schon konkrete Vorschläge öffentlich diskutiert. Auch andere Länder sind diesbezüglich schon deutlich weiter in ihren Überlegungen. Warum das in Hessen nicht möglich ist, erschließt sich uns nicht.“
Auf völliges Unverständnis stößt die politische Marschrichtung. „Fahren auf Sicht war in den ersten Wochen sicherlich richtig, für die Zukunft braucht es aber nun einen Fahrplan“, sagt Ardinast. „Unsere Mitarbeiter, die seit zwei Monaten mit 60 Prozent ihres Netto-Einkommens auskommen müssen, verlangen zu Recht Auskunft darüber, wie es weiter geht.“ Auch für Clubs und Diskotheken die weiterhin geschlossen bleiben, fordert der IGF einen verbindlichen Fahrplan ein.
Und so wird die Branche am kommenden Freitag wieder zusammenstehen und nach #leerestühle, #restartgastro und #gekommenumzubleiben die nächste Aktion, #leerelokale ins Leben rufen. „Die Zukunft der Gastronomie und ihrer 2,4 Millionen Mitarbeiter liegt mir am Herzen“, so Goran Petreski, Vorstandsmitglied der IGF und Betreiber der Restaurants Blaues Wasser und VaiVai. „Die Landesregierung in Hessen wird mit dem offensichtlichen Versuch, mit diesen Bestimmungen die Solidarität innerhalb der Branche zu torpedieren, scheitern“. Auch in seinen Betrieben bleiben die Herde am Freitag kalt.
Die IGF wurde Ende 2015 ins Leben gerufen und setzt sich unter ihrem Vorstandsvorsitzenden Madjid Djamegari und seinem Stellvertreter James Ardinast für die Interessen der Gastronomen und die Position des Gastgewerbes in Frankfurt am Main ein. Ziel ist es, einen kontinuierlichen und partnerschaftlichen Dialog mit der Stadt, Behörden, Politik, Wirtschaft und weiteren Interessengemeinschaften zu führen und zu fördern. Damit will die Initiative zu einer verbesserten und positiven öffentlichen Wahrnehmung der Gastronomieszene beitragen und in diesem Sinne das Gewerbe attraktiver, gerechter und sicherer für nationale und internationale Gäste sowie Arbeitgeber und Arbeitnehmer machen. Aktuell gehören der IGF 100 Betriebe aus Frankfurt und Offenbach an.