Ein Ausflug nach Straßburg ins Europaparlament weckt Erwartungen – besonders auf das angepriesene Drei-Gänge-Menü in der Besucherkantine. Doch was unsere Autorin Ingeborg Sichau dort erlebte, scheint ohne Worte.
Weil demnächst Europawahlen sind, lädt ein hessischer SPD-Ortsbezirk potenzielle Wähler ein zur Fahrt ins Europaparlament nach Straßburg. Zum Gespräch mit dem Vorsitzenden der sozialdemokratischen Fraktion (S&D). Der kommt aus Hessen und man darf ihn Udo nennen. Vorher gibt's noch ein Mittagessen. Nach drei Stunden Busfahrt und der obligatorischen Sicherheitskontrolle ist das nur ein logischer Punkt im Ablaufplan. Die Erwartungen sind hoch gesteckt. Schließlich befinden wir uns im hohen Haus der europäischen Volksvertreter – und in Frankreich! Zur Mittagseinladung gehören Vorspeise, Hauptgang, Dessert und ein alkoholfreies Getränk. Während der 20 Minuten in der Warteschlange vor dem Besucher-Restaurant steigen die Erwartungen. Qualität braucht eben Zeit.
Geschichte einer Enttäuschung
Aber langes Warten ist noch keine Qualitätsgarantie. Die Vorspeise entpuppt sich als simpel angemachte Rohkost – eine Tricolore aus orangen Karotten, rotem und weißem Kohl. Bei der Hauptspeise haben wir tatsächlich die Wahl! Fish or Chicken? Hinter der tristen Essensausgabe machen zwei einsame Kämpfer die Teller komplett: ein Schlag arg zerkochtes und geschmacksneutrales Rotkraut und Kartoffelwürfelchen, die auch in der Konsistenz an zu stark geröstete Croutons erinnern. Wer mag, bekommt obendrauf noch etwas Sauce. Égalité – gleiches Recht für Fisch und Hühnchen! Ein Stück Baguette und Kuchen oder Obstsalat zum Dessert runden das "Menü" ab.
Das Preis-Leistungsverhältnis der Mittagsverpflegung ihrer Gäste treibt der tapferen Wahlkämpferin aus dem Wahlkreis die Tränen in die Augen. Da ist es wenig hilfreich, dass der Europa-interessierte Evonik-Mitarbeiter über "unsere" Kantine ins Schwärmen gerät, ohne dabei auch nur einmal das Wort "Betriebsrestaurant" in den Mund zu nehmen.
Nicht viel versprochen
Aber zurück in die harte Realität der Straßburger Besucherkantine: Gespeist wird an langen Tischreihen. Sporadische Raumteiler aus Stroh bemühen sich um einen Hauch Wohlfühlatmosphäre – obwohl davon auf der Homepage des Europaparlamentes wirklich nicht die Rede ist, wie wir – natürlich – hinterher erst feststellen. Dort wird ganz ehrlich von der Besucherkantine berichtet und nicht vom Besucher-Restaurant. Man kann der EU also nicht vorwerfen, falsche Erwartungen zu wecken!
Es bleibt die zerstörende Diskrepanz zur beeindruckenden Architektur des Gebäudes. Dem begrünten Innenfoyer auf fließendem Schieferuntergrund kann sich keine Smartphone-Kamera verweigern. Da drängt sich unweigerlich die Frage auf: Essen hier manchmal auch Abgeordnete? Schulterzucken. Wir machen uns darauf unseren Reim: Höchstens einmal in der Legislaturperiode. Auch Udo hat nicht mit uns gegessen!